Anders als in Deutschland und zahlreichen anderen Staaten Kontinentaleuropas, ist der israelische Zivilprozess sehr stark auf Zeugenaussagen und deren Überprüfung im Zivilverfahren ausgerichtet:
Keine Unterscheidung zwischen Zeugen- und Parteiaussage
Im Gegensatz zu zahlreichen europäischen Prozessordnungen wird in Israel kein Unterschied zwischen der Aussage einer Partei (Parteiaussage) und der einer Drittperson (Zeugenaussage) unterschieden. Sowohl eine Person, die Prozesspartei ist, als auch ein Dritter gelten als Zeugen, und ihre Aussagen werden durch das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung beurteilt.
Zu jeder Rechtsschrift eine eidesstattliche Erklärung
Praktisch jeder Rechtsschrift ist als Beleg für die behaupteten Tatsachen die eidesstattliche Erklärung eines Zeugen beizulegen. Dies ist insbesondere für ausländische Prozessparteien eine Quelle des Ärgernisses, da die Unterschrift auf jeder dieser eidesstattlichen Erklärungen durch einen Notar am Wohnsitz des Zeugen beglaubigt werden muss. Dies verursacht Kosten und ist für den Mandanten belastend.
So muss zum Beispiel bei einem Begehren, dass der ausländische Kläger von der Pflicht des persönlichen Erscheinens an einer Vorverhandlung entbunden werden soll, eine eidesstattliche Erklärung darüber beizulegen, weshalb der Kläger nicht persönlich erscheinen kann.
Immerhin gibt es auch eine gute Nachricht: In Fragen der Prozessführung, z.B. in Bezug auf das persönliche Erscheinen zu einer Verhandlung, die Begehren um Fristerstreckung, etc., lässt es das Gericht jeweils bei der schriftlichen eidesstattlichen Erklärung bewenden. Anders ist dies allerdings bei Fragen zum eigentlichen Prozessgegenstand, wie das Bestehen oder Nichtbestehen einer Schuld, das Verschulden einer Person, die Zurechnungsfähigkeit eines Testamentsverfassers, etc. Dort muss sich der Zeuge später dem Kreuzverhör des Gegenanwaltes stellen.
Kreuzverhör
Generell kennt der israelische Zivilprozess die Beweisführung allein mittels Urkunden praktisch nicht. Selbst wenn das gesamte Beweisthema mit Urkunden abgedeckt ist, wird eine Zeugenaussage verlangt.
Auch diese Zeugenaussage wird in der Regel zunächst durch eine schriftliche eidesstattliche Erklärung abgegeben. Danach aber muss sich der Zeuge dem Kreuzverhör durch den Anwalt der Gegenpartei stellen und dafür in aller Regel auch nach Israel anreisen.
Das Kreuzverhör findet dann in der Beweisverhandlung statt an welcher ein Zeuge nach dem anderen befragt wird. Die Fragen werden vorwiegend durch die Anwälte gestellt, das Gericht hält sich je nach Charakter des Richters mit Fragen zurück, oder stellt dem Zeugen weitere Anschlussfragen.
Ziel des Gegenanwalts, der das Kreuzverhör durchführt, ist es, den Zeugen zu verunsichern und in Widersprüche zu verstricken. Aus diesem Grund werden Zeugen vor einem Kreuzverhör von uns sorgfältig vorbereitet. Wir sind der Ansicht, dass eine Vorbereitung in der Muttersprache des Zeugen erfolgen muss, um Letzterem die notwendige Sicherheit zu vermitteln.
Dabei ist es wesentlich, dass der Zeuge alle Tatsachen kennt und insbesondere auch Notizen mitbringt, welche ihm als Gedächtnishilfe dienen können. So sollte zum Beispiel der Geschäftsführer einer Gesellschaft alle wichtigen Daten wie z.B. den genauen Zeitablauf, die Daten der Mahnungen, die Daten wann welcher Schaden warum eingetreten ist, griffbereit bei sich haben. Aus diesem Grund sollte vor einer komplexen Zeugenaussage eine gute Dokumentation vorbereitet werden, welche es dem Zeugen ermöglicht, im Zeugenstand allenfalls notwendige Daten rasch abzurufen. Es ist dem Zeugen erlaubt, Notizen im Zeugenstand vorliegen zu haben. Diese sind auch nicht für die Gegenpartei einsehbar, außer der Zeuge präsentiert ein Dokument dem Gericht. In diesem Fall wird das präsentierte Dokument zu einem eingereichten Beweis.
Nach dem Kreuzverhör: Befragung durch den Anwalt, der den Zeugen geladen hat
Nach dem Kreuzverhör durch den Gegenanwalt erhält der eigene Anwalt Gelegenheit, dem Zeugen Ergänzungsfragen zu stellen. Diese sind jedoch auf Themenkreise beschränkt, welche im Kreuzverhör neu aufgeworfen wurden, also nicht bereits in der eidesstattlichen Erklärung behandelt wurden.
Die Rückbefragung gibt dem eigenen Anwalt und dem Zeugen die Gelegenheit, allenfalls unrichtige Eindrücke, welche während des Kreuzverhörs entstanden sein können, richtigzustellen. Allerdings sollte man sich nicht auf diese letzte Befragung durch den eigenen Anwalt verlassen. Rückbefragungen sind in der Regel kurz und auf ein paar wenige Fragen beschränkt.
Sorgfältige Vorbereitung unabdingbar
Vor einem Kreuzverhör werden die Zeugen durch unsere Kanzlei sorgfältig vorbereitet. Bei ausländische Zeugen sorgen wir dafür, dass ihnen bei der Aussage ein erfahrener Gerichtsdolmetscher zur Seite steht, damit sie in ihrer Muttersprache aussagen können. Dies hat auch den Vorteil, daß die Befragung dann langsamer verläuft, was dem Zeugen wichtige Bedenkzeit verschafft.
Ferner werden in der Regel ausländische Zeugen zurückhaltender befragt als Israelis. Kurz: Bei einer sorgfältigen Vorbereitung der Details ist vor einem Kreuzverhör nichts zu befürchten.
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